Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
2007 / 54
Zurück Druckansicht Dokument als PDF Navigation anzeigen
Ein­lei­tung
I.Bericht der Regierung
1.Aus­gangs­lage
2.Vor­gehen
3.Schwer­punkte der Vorlage
4.Ver­nehm­las­sung
5.Erläu­te­rung zu den ein­zelnen Bes­tim­mungen unter Berück­sich­ti­gung der Vernehmlassung
6.Ver­fas­sungs­mäs­sig­keit
7.Per­so­nelle, finan­zi­elle, orga­ni­sa­to­ri­sche und räum­liche Auswirkungen
II.Antrag der Regierung
III.Regie­rungs­vor­lagen
1.Vor­lage 1: Ver­fas­sungs­ge­setz über die Abän­de­rung der Ver­fas­sung vom 5. Oktober 1921
2.Vor­lage 2: Rich­ter­dienst­ge­setz (RDG)
 
Bericht und antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Schaffung eines Richterdienstgesetzes (RDG)
 
4
Mit dem vorliegenden Bericht und Antrag wird für die Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit die erforderliche dienstrechtliche Grundlage geschaffen. Bis anhin fehlte eine klare Rechtsgrundlage für die Rechte und Pflichten der Richter sowie für deren disziplinarische Verantwortlichkeit. Das Richterdienstgesetz fasst die bisher verstreuten Bestimmungen zum Dienstverhältnis der Richter in einem Erlass zusammen und schliesst die Lücken der heutigen Gesetzgebung. Das Richterdienstgesetz bildet die Ergänzung zu den organisatorischen und verfahrensrechtlichen Rahmenbedingungen des Gerichtsorganisationsgesetzes. Es schafft die wesentlichen Voraussetzungen für die Sicherstellung der richterlichen Unabhängigkeit.
Das Richterdienstgesetz sieht für die Richter ein eigenes, auf die richterliche Funktion abgestimmtes Dienstrecht vor. Das Staatspersonalgesetz findet für die Richter grundsätzlich keine Anwendung. In einzelnen Punkten (Besoldung, Urlaub, Pensionierung) verweist jedoch das Richterdienstgesetz auf die für das Staatspersonal geltenden Regelungen.
Die zentralen Punkte der Gesetzesvorlage sind:
die Schaffung klarer gesetzlicher Grundlagen für das Dienstrecht der Richter;
die Vereinheitlichung des Dienstrechtes für alle vollamtlichen und nebenamtlichen Richter des Landgerichtes, des Obergerichtes und des Obersten Gerichtshofes;
die Bestellung der vollamtlichen Senatsvorsitzenden des Obergerichtes auf Lebenszeit und Abschaffung der bisher gültigen Amtsdauer;
die Regelung der Ausbildungserfordernisse und Ernennungsvoraussetzungen für vollamtliche und nebenamtliche Richter;
die Definition der Rechte und Pflichten der Richter;
die Regelung der Richterausbildung sowie des Status der Richteramtsanwärter;
5
die Regelung des Disziplinarrechts für die Richter sowie des Disziplinarverfahrens;
die Festlegung der dienst- und disziplinarrechtlichen Zuständigkeiten.
Nicht abgeändert durch das neue Richterdienstgesetz wird das Richterbestellungsverfahren, welches im Richterbestellungsgesetz geregelt wurde. Der Erlass des Richterdienstgesetzes ist verbunden mit einer Totalrevision des veralteten Gerichtsorganisationsgesetzes aus dem Jahre 1922. Gleichzeitig ist eine Anpassung der Artikel 93 Bst. e und 101 der Landesverfassung betreffend die Aufsicht der Regierung und die Disziplinargewalt über die Richter vorgesehen.
Zuständiges Ressort
Ressort Präsidium
Betroffene Behörden
Landgericht
Obergericht
Oberster Gerichtshof
6
Vaduz, 30. April 2007
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend den Erlass eines Richterdienstgesetzes (RDG) und die Abänderung der Landesverfassung zu unterbreiten.
1.Ausgangslage
Im Fürstentum Liechtenstein fehlt zurzeit ein eigenes Dienstrecht für die Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Bestimmungen, die das Dienstverhältnis der Richter betreffen, befinden sich übergeordnet in der Landesverfassung (LV). In Art. 95 Abs. 2 LV wird die Unabhängigkeit der Richter festgehalten. In Art. 101 LV ist geregelt, dass das Obergericht die Disziplinargewalt über die Landrichter ausübt und der Oberste Gerichtshof die Disziplinarbehörde für die Mitglieder des Obergerichtes ist. Zugleich ist der Oberste Gerichtshof als Beschwerdeinstanz in Disziplinarangelegenheiten der Landrichter vorgesehen.
Im Gerichtsorganisationsgesetz vom 7. April 1922 finden sich weitere Bestimmungen, die dem richterlichen Dienstrecht zuzuordnen sind, wie die Beeidigung in § 20 und die Wählbarkeit in § 21. Zudem sind einzelne Bestimmungen des Be-
7
soldungsgesetzes, der zugehörigen Verordnungen und anderer arbeitsrechtlicher Gesetze für die Richter anwendbar. Die Regelungen sind jedoch unvollständig und zu wenig auf die richterlichen Verhältnisse angepasst, was dazu führt, dass in weiten Gebieten keine dienstrechtlichen Bestimmungen für die Richter bestehen. Rudimentäre Vorschriften über das Disziplinarverfahren bestehen im Beamtengesetz, wobei diese höchstens sinngemäss für die Richter angewendet werden können.
Die heutige Situation ist historisch erklärbar. Über Jahrzehnte gab es im Fürstentum Liechtenstein nur einen hauptamtlichen Richter. Bis anfangs der Achtzigerjahre bestand das Landrichterkollegium aus fünf hauptamtlichen Richtern und dem Landgerichtspräsidenten. Deshalb gab es kein Bedürfnis nach einem besonderen Richterdienstgesetz.
Diese Situation hat sich in den letzten zwanzig Jahren grundlegend geändert. Einerseits sind die Aufgaben der ordentlichen Gerichte durch den wirtschaftlichen Aufschwung des Landes und die rasch voranschreitende internationale Verflechtung stark angestiegen. Andererseits steht Liechtenstein stärker im Blickpunkt der internationalen Wirtschaftskreise und der Staatengemeinschaft, was sich auch auf die Anforderungen an die Justiz auswirkte. Dies zeigte sich gerade im Jahr 2000, als auch Schwächen in der liechtensteinischen Gerichtsbarkeit von ausländischer Seite beanstandet wurden. Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass mit 17 vollamtlichen Land- und Oberrichtern die ordentlichen Gerichte in Liechtenstein eine Grösse erreicht haben, wie sie einem kleineren Landgericht in Österreich oder einem mittleren Kantonsgericht in der Schweiz entspricht. Aus der grösseren Zahl der vollamtlichen Richter ergibt sich, dass es öfter zu Richterwechseln kommt und auch vermehrt Verwaltungsaufgaben im Zusammenhang mit Richtern anfallen.
Die derzeitige Situation bezüglich der dienstrechtlichen Stellung der Richter steht im Weiteren im Widerspruch zu den Empfehlungen des Europarates. Mit dem neuen Richterdienstgesetz ist eine Anpassung an den internationalen Standard
8
(Empfehlung des Ministerkomitees über die Unabhängigkeit, Wirksamkeit und Rolle der Richter vom 13. Oktober 1994 sowie der Europäischen Charta über die Stellung der Richter) möglich.
Aus diesen Gründen ist der Erlass eines Richterdienstgesetzes im Zusammenhang mit der Modernisierung der Gerichtsstrukturen unumgänglich. Die wesentlichen Elemente des neuen Gesetzes sind:
Schaffung klarer gesetzlicher Grundlagen für das Dienstrecht der Richter;
Vereinheitlichung des Dienstverhältnisses für alle vollamtlichen und nebenamtlichen Richter des Landgerichtes, des Obergerichtes und des Obersten Gerichtshofes;
Bestellung der vollamtlichen Senatsvorsitzenden des Obergerichtes auf Lebenszeit und Abschaffung der bisher gültigen Amtsdauer;
Regelung der Ausbildungserfordernisse und Ernennungsvoraussetzungen für vollamtliche und nebenamtliche Richter;
Definition der Rechte und Pflichten der Richter;
Regelung der Richterausbildung sowie des Status der Richteramtsanwärter;
Regelung des Disziplinarrechts für die Richter sowie des Disziplinarverfahrens;
Festlegung der dienst- und disziplinarrechtlichen Zuständigkeiten.
Es ist geplant, das neue Richterdienstgesetz zusammen mit dem total revidierten Gerichtsorganisationsgesetz auf den 1. Januar 2008 in Kraft zu setzen. Unverändert bestehen bleiben die Vorschriften zur Bestellung von Richtern, die im Richterbestellungsgesetz vom 26. November 2003 festgehalten sind.
Stichwörter
Gerichts­wesen, Reform
Lan­des­ver­fas­sung, LV, Abänderung
Richter, Ausbildungserfordernisse
Richter, Disziplinarrecht
Richter, Disziplinarverfahren
Rich­ter­dienst­ge­setz (RDG), Schaffung