Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
2011 / 61
Zurück Druckansicht Dokument als PDF Navigation anzeigen
Ein­lei­tung
I.Bericht der Regierung
1.Aus­gangs­lage
2.Die heu­tige Finan­zie­rung der AHV
3.Sanie­rung des Staatshaushaltes
4.Finan­zi­elle Siche­rung der AHV
5.Ver­nehm­las­sung
6.Erläu­te­rungen zu den ein­zelnen Arti­keln unter Berück­sich­ti­gung der Vernehmlassung
7.Ver­fas­sungs­mäs­sig­keit
8.Per­so­nelle, finan­zi­elle, orga­ni­sa­to­ri­sche und räum­liche Auswirkungen
II.Antrag der Regierung
III.Regie­rungs­vor­lagen
Kein Titel
Kein Titel
Kein Titel
Grüner Teil
 
Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend  die Neuregelung des an die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) ausgerichteten Staatsbeitrages sowie der Einführung von Massnahmen zur finanziellen Sicherung der AHV 
 
4
5
Die demographische Entwicklung der Bevölkerung stellt eine grosse Herausforderung für die Finanzierbarkeit der AHV-IV-FAK-Anstalten (AHV) dar. Die AHV haben daher gemeinsam mit der Regierung und externen Experten des Versicherungsbereiches seit dem Jahr 2006 unterschiedliche Massnahmen zur langfristigen finanziellen Sicherung der AHV erarbeitet und evaluiert. Vor der Umsetzung eines konkreten Massnahmenpakets zur finanziellen Zukunftssicherung der AHV haben sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Landes wesentlich geändert und das Projekt zur Sanierung des Staatshaushaltes wurde lanciert.
Der Staat leistet heute der AHV aus den allgemeinen Staatsmitteln einen Beitrag von 20 % der jährlichen Ausgaben. Im Zuge der Sanierung des Staatshaushaltes wurde die Forderung nach einer Reduktion und Entkoppelung des Staatsbeitrages von der Ausgabenentwicklung zum Zwecke der Erreichung einer höheren Plan- und Steuerbarkeit gestellt. Aufgrund der Bindung des Staatsbeitrages an die jährlichen Ausgaben der AHV stieg die finanzielle Belastung für den Staatshaushalt in den letzten Jahren stark an.
In seiner Sitzung vom Juni 2010 hat sich der Landtag mit dem Massnahmenpaket zur Sanierung des Staatshaushalts befasst. Dabei wurde die Regierung beauftragt, den von ihr vorgeschlagenen Weg zur Ausgabenreduktion weiter zu beschreiten und dem Landtag die entsprechenden Anträge zu unterbreiten.
Als Teil des Massnahmenpakets soll der jährliche Staatsbeitrag an die AHV im Jahre 2015 CHF 50 Mio.betragen. In den darauf folgenden Jahren wird dieser jeweils um CHF 2 Mio. erhöht.
Mit dem vorliegenden Bericht und Antrag unterbreitet die Regierung nicht nur den Vorschlag zur Festlegung des Staatsbeitrages, sondern zeigt vielmehr die zukünftige finanzielle Entwicklung der AHV auf und schlägt Massnahmen vor, die zur Gewährleistung eines stabilen Rentensystems beitragen sollen.
Die Festlegung des Staatsbeitrages auf CHF 50 Mio. im Jahre 2015 hat für den Staat in eben diesem Jahr eine Einsparung in der Grössenordnung von CHF 15 Mio. zur Folge. In den darauffolgenden Jahren erhöhen sich die Einsparungen für den Staat aufgrund der zu erwartenden steigenden Ausgaben der
6
AHV. Im Jahre 2020 beläuft sich die Einsparung für den Staat auf Grund der vorgeschlagenen Neuregelung des Staatsbeitrages bereits auf CHF 19 Mio. Diese Mittel wiederum fehlen der AHV als Einnahmen.
Es sind daher Massnahmen zu lancieren, welche diese Mindereinnahmen aufgrund der Fixierung des Staatsbeitrages kompensieren. Folgende Massnahmen werden vorgeschlagen:
Einführung von versicherungsmathematisch berechneten Kürzungssätzen beim Rentenvorbezug;
Anpassung der Renten auf Grundlage des Preisindexes anstelle des Mischindexes (Lohn- und Preisindex);
Anhebung der Beitragssätze für Arbeitgebende und Selbständigerwerbende sowie entsprechende Senkung des Beitragssatzes bei der Familienausgleichskasse für dieselbe Zielgruppe.
Mit den in diesem Bericht aufgezeigten Massnahmen zur Ausgabenminderung bzw. Einnahmensteigerung in der AHV können die durch die Neudefinition des Staatsbeitrages der AHV entstehenden Mindereinnahmen gemäss Prognosemodell ausgeglichen werden.
Zuständiges Ressort
Ressort Soziales
Betroffene Ressorts, Amtsstellen und Institutionen
Ressort Finanzen
Stabstelle Finanzen
AHV-IV-FAK-Anstalten
7
Vaduz, 31. Mai 2011
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Neuregelung des an die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) ausgerichteten Staatsbeitrages sowie der Einführung von Massnahmen zur finanziellen Sicherung der AHV an den Landtag zu unterbreiten.
1.1Langfristige finanzielle Sicherung der AHV
Nicht nur für Liechtenstein bildet die demographische Entwicklung der Bevölkerung resp. der Versicherten eine grosse Herausforderung für die Finanzierbarkeit der 1. Säule. Der Zuwachs der Anzahl von Rentenbezügerinnen und -bezügern innert kurzer Zeiträume ist beeindruckend. So betrug diese im Jahre 2009 16'557 und erhöhte sich innert nur gerade einem Jahr auf 17'401 (ohne BezügerInnen von Zusatzrenten für die Ehefrau und von Kinderrenten). Das bedeutet einen Anstieg um 844 Personen oder 5% in einem Jahr! Bei einer nur leicht veränderten durchschnittlichen Rentenhöhe bedeutet dies einen Ren-
8
tenzuwachs von CHF 2.8 Mio. für drei Monate, hochgerechnet auf ein Jahr von über CHF 11 Mio. Während über Jahrzehnte die Beitragsleistungen (ohne Staatsbeitrag) die AHV-Ausgaben noch übertrafen, kippte dieses Verhältnis erstmals im Jahr 2003 und bleibt seither negativ:
Grafik 1: AHV - Ausgaben und Beitragseinnahmen
Die demographische Entwicklung der Versichertengemeinschaft gepaart mit den absehbaren Veränderungen der liechtensteinischen Volkswirtschaft lassen nicht den Schluss zu, dass in Zukunft wieder mit einer Trendumkehr gerechnet werden kann, solange die Finanzierungs- und die Leistungsseite der AHV unverändert bleiben. Aufgrund der demographischen Entwicklung wird in Zukunft eine grössere Anzahl an Rentenempfänger auf eine immer geringer werdende Anzahl an Beitragszahlenden treffen.
Die Leistungen der liechtensteinischen AHV sind für die Rentnerinnen und Rentner heute attraktiv ausgestaltet. Während nach der Schaffung der AHV über viele Jahre ein Gleichgang mit der Schweiz sowohl auf Finanzierungs- als auch auf Leistungsseite beschritten wurde, verliess Liechtenstein diesen Weg
9
vor allem anfangs der 90er-Jahre durch die Einführung eines Weihnachtsgelds für Rentnerinnen und Rentner und später auch durch die Subventionierung des Rentenvorbezugs ab 60.
Der Aufsichtsrat der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) war vor Inkrafttreten des Gesetzes über die Steuerung und Überwachung von öffentlichen Unternehmen gemäss Art. 12 Abs. 3 des Alters- und Hinterlassenenversicherungsgesetzes (AHVG) verpflichtet, dem Verwaltungsrat mindestens alle fünf Jahre eine technische Bilanz mit Bericht, also ein versicherungsmathematisches Gutachten, vorzulegen. Er konnte dem Verwaltungsrat für Massnahmen, die ihm auf Grund dieses Gutachtens notwendig erschienen, Vorschläge unterbreiten. Das Gutachten vom 27. Oktober 2005 (Prüfung für die Jahre 2000 bis 2004) sowie auch das entsprechende Gutachten vom 9. Juli 2010 über die versicherungstechnische Prüfung der Periode 2005 bis 2009 kommen zum Schluss, dass die AHV ihren Verpflichtungen in den nächsten 20 Jahren nachkommen wird können. Allerdings wurde im Gutachten 2005 ab dem Jahre 2018 sowohl ein Betriebsdefizit als auch ein Sinken des AHV-Fonds unter den vom Gesetz verlangten Betrag von fünf Jahresausgaben prognostiziert. Es wurde daher die Empfehlung gegeben, rechtzeitig Massnahmen zur Sicherung des finanziellen Gleichgewichts zu prüfen. In der Folge fand auf Anregung der AHV am 14. November 2006 eine Sitzung des Verwaltungsrates mit der Kollegialregierung statt, an der diese Themen erörtert wurden.
Mit Beschluss der Regierung vom 3. April 2007 wurde zur Überprüfung des Handlungsbedarfes betreffend einer langfristigen finanziellen Sicherung der AHV eine Steuerungsgruppe unter dem Vorsitz des Ressorts Soziales eingesetzt mit dem Auftrag, Vorschläge für mögliche Reformen aufzuzeigen.
Nach Erstellung eines Fragenkataloges durch die Steuerungsgruppe wurde ein Expertenauftrag an das Institut für Versicherungswirtschaft der Universität
10
St. Gallen zur Erarbeitung einer Studie zur langfristigen finanziellen Sicherung der liechtensteinischen AHV erteilt. Es sollte ein Bericht erstellt werden, welcher
den mittel- bis langfristigen finanziellen Handlungsbedarf in der AHV ermittelt;
Massnahmen zur Sicherung des finanziellen Gleichgewichtes vorstellt und prüft;
die Umstellung auf eine kapitalfinanzierte AHV analysiert;
die Auswirkungen der Massnahmen auf andere Bereiche andeutet;
die Massnahmen finanziell und politisch bewertet sowie Handlungsempfehlungen aus unabhängiger Expertensicht abgibt.
Diese Expertenstudie (im Folgenden kurz Studie genannt) wurde am 11. November 2008 interessierten Kreisen im Rahmen eines Vortrages der Autoren Prof. Dr. Walter Ackermann und Dr. Daniel Lang vorgestellt. Die Studie geht detailliert auf die heutige Situation der liechtensteinischen AHV ein und zählt eine Vielzahl von möglichen Massnahmen auf, welche die langfristige Finanzierbarkeit des Sozialwerks sichern könnten. Zusammengefasst enthält die Studie die folgenden Kernaussagen:
Die heutige Dreisäulen-Konzeption und die darin enthaltene Existenzsicherung (AHV, Ergänzungsleistungen, Hilflosenentschädigungen, Sozialhilfe) ist in den Grundzügen zukunftstauglich;
in der ersten Säule reichen die Ressourcen gemäss Trendszenario aus, um die erwarteten Verpflichtungen bis 2040 zu erfüllen. Allerdings fehlt dem Alterssicherungssystem die Nachhaltigkeit. Ab 2029 setzt eine Negativspirale ein. Trotz höheren Staatsbeiträgen nehmen die AHV-Reserven ab;
11
ein Entlastungsprogramm von mind. CHF 35 Mio. pro Jahr (zu Löhnen und Preisen 2006) ist für 2030 bis 2040 erforderlich, damit die AHV-Reserven konstant bleiben. Soll der AHV-Staatsbeitrag zudem reduziert werden, muss die Entlastung entsprechend höher ausfallen.
Die Experten orten also sehr wohl Handlungsbedarf, allerdings keinen akuten. Dennoch verlangt es die politische Verantwortung, frühzeitig zu handeln, denn manche der möglichen Massnahmen haben einen sehr langen Wirkungshorizont.
Die Regierung hat die Studie zur Kenntnis genommen und mit Beschluss vom 8. Oktober 2008 eine Arbeitsgruppe mit der Ausarbeitung von Lösungsvorschlägen für ein Massnahmenpaket auf Grundlage der vom Institut für Versicherungswirtschaft der Universität St. Gallen erstellten Studie über die finanzielle Alterssicherung beauftragt.
Nachdem das ÖUSG erst am 1. Januar 2010 in Kraft getreten ist, war der Aufsichtsrat der AHV-IV-FAK-Anstalten im Mai 2009 verpflichtet, ein weiteres Versicherungstechnisches Gutachten in Auftrag zu geben. Dabei wurde besonderen Wert auf die zukünftige Entwicklung der AHV über die nächsten 10 bis 20 Jahre gelegt. Auf Grundlage einer Modellbetrachtung bis ins Jahr 2030, wobei die Aussagen bis zum Jahre 2020 als Prognose, für die Jahre bis 2030 jedoch nur als Trend zu werten sind, werden die mögliche zukünftige finanzielle Entwicklung der AHV sowie des AHV-Fonds aufgezeigt.
Die Prognosen der beiden Gutachten 2005 und 2009 der LIBERA unterscheiden sich im Hinblick auf die Entwicklung der AHV doch in einigen wesentlichen Punkten. Das Gutachten 2005 ging davon aus, dass sich das Verhältnis des AHV-Fonds zu den jährlichen Ausgaben bis ins Jahr 2025 auf 2.6 Jahresausgaben verringern werde. Verglichen mit den Prognosen aus dem Gutachten 2005 fällt die Entwicklung gemäss dem Gutachten 2009 um einiges positiver
12
aus. Dies erklärt sich insbesondere mit unterschiedlich und weniger konservativ festgelegten Berechnungsparametern und einem verfeinerten Berechnungsmodell, welches erstmals die konkreten Bestandesdaten der AHV berücksichtigt. Die verwendeten Berechnungsparameter führen schliesslich zu deutlich geringeren Ausgaben als im letzten versicherungstechnischen Gutachten. Zudem wurde im Gutachten 2005 mit einer Rendite von 3% und 4% gerechnet, während dem Gutachten 2009 eine Rendite von 3.5% und 4.5% zugrunde gelegt wurde.
Stichwörter
AHV, finan­zi­elle Sicherung
AHV, Neu­re­ge­lung Staatsbeitrag
Finan­zi­elle Siche­rung der AHV
Siche­rung, finan­zi­elle der AHV
Staats­bei­trag AHV, Neuregelung