Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
2004 / 91
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Ein­lei­tung
I.Bericht der Regierung
1.Aus­gangs­lage
2.Anlass/Not­wen­dig­keit der Vorlage
3.Grund­züge der Gesetzesvorlage
4.Ver­nehm­las­sung
5.Erläu­te­rungen unter Berück­sich­ti­gung der Vernehmlassung
6.Ver­fas­sungs­mäs­sig­keit
7.Per­so­nelle und finan­zi­elle Auswirkungen
II.Antrag der Regierung
III.Regie­rungs­vor­lage
Geset­zes­vor­lage 1
Geset­zes­vor­lage 2
Grüner Teil
 
Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
zum Gesetz über den Versicherungsschutz der Gebäude gegen Feuer- und Elementarschäden (Gebäudeversicherungsgesetz; GVersG) sowie  zur Abänderung des Finanzmarktaufsichtsgesetzes
 
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Als eines der wenigen Länder weltweit bietet Liechtenstein einen flächendeckenden Versicherungsschutz für Gebäude gegen Feuer- und Elementarschäden.
Bei der Schaffung des heute geltenden Gesetzes sowie der darauf gestützten Verordnungen und Verträge waren im Fürstentum Liechtenstein nur schweizerische Versicherungsunternehmen in der Gebäudeversicherung tätig. Im Bereich der Elementarschadenversicherung wurden die in Liechtenstein gelegenen Schäden in den Schweizerischen Elementarschaden-Pool (ES-Pool) integriert. Dieser bezweckt den Ausgleich der Elementarschadenbelastung unter den Pool-Mitgliedern und die gemeinsame Rückversicherung. Der obligatorische, flächendeckende Schutz gegen Elementarschäden war damit in Liechtenstein gewährleistet.
Durch die Gesetzesvorlage soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass nunmehr neben den schweizerischen auch liechtensteinische Versicherungsunternehmen sowie solche aus dem EWR im Inland die Feuer- und Elementarschadenversicherung betreiben. Mit der Annahme des EWR-Abkommens und dem Aufbau eines deregulierten Versicherungsmarktes und der daraus resultierenden Produktvielfalt sind griffige, auf die geänderten Verhältnisse Bedacht nehmende gesetzliche Normen unabdingbar. Diese sollen einheitliche Rahmenbedingungen für alle in diesem Pflichtversicherungszweig im Lande tätigen Versicherungsunternehmen umfassen.
Wesentliche Bedeutung kommt der Aufrechterhaltung der obligatorischen Gebäudeversicherung gegen Feuer- und Elementarschäden zu, da ein volkswirtschaftliches und gesellschaftliches Interesse an einer lückenlosen wertrichtigen Versicherung im Gebäudebereich besteht. Die Ausgestaltung der Gebäudeversicherung gegen Feuer- und Elementarschäden als Pflichtversicherung erfordert flankierende Massnahmen für den Fall, dass ein Gebäudeeigentümer keinen Versicherungsschutz findet.
Wurde bis anhin in verschiedenen Bereichen auf die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Versicherungsunternehmen verwiesen, so muss dies inskünftig auf Gesetzes- bzw. Verordnungsstufe einheitlich geregelt werden.
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Aufgrund der Zuständigkeit der Finanzmarktaufsicht als Aufsichtsbehörde im Bereich der Gebäudeversicherungsgesetzgebung bedarf das Finanzmarktaufsichtsgesetz einer Anpassung. Im Zuge dieser Anpassung sollen zwei textliche Ungenauigkeiten im Finanzmarktaufsichtsgesetz korrigiert werden.
Zuständige Ressorts
Ressort Wirtschaft
Ressort Inneres
Ressort Finanzen
Betroffene Amtsstellen
Amt für Volkswirtschaft (ab 1.1.2005: Finanzmarktaufsicht)
Hochbauamt
Amt für Zivilschutz und Landesversorgung
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Vaduz, 21. September 2004
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Sehr geehrter Herr Landtagspräsident
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag zum Gesetz über den Versicherungsschutz der Gebäude gegen Feuer- und Elementarschäden zu unterbreiten.
1.Ausgangslage
Für die obligatorische Gebäudeversicherung gelten insbesondere das Gesetz vom 13. Dezember 1973 über den Versicherungsschutz der Gebäude gegen Brand- und Elementarschäden (LGBl. 1974 Nr. 43), die auf dieses Gesetz gestützte Verordnung vom 27. April 1982 (LGBl. 1982 Nr. 40) sowie die Verordnung vom 16. Juli 1974 über die amtlichen Grundstückschätzungen (LGBl. 1974 Nr. 45).
Bis zu dessen Kündigung auf den 31. Mai 2002 galt zudem ein auf Art. 12 des Gesetzes gestützter Vertrag vom 26. Mai 1977 betreffend die obligatorische Versicherung der Gebäude gegen Brand- und Elementarschäden im Fürstentum Liechtenstein wie auch eine Vereinbarung der Regierung des Fürstentums Liechtenstein und den im Fürstentum Liechtenstein tätigen Feuerversicherungsgesell-
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schaften vom 23. Dezember 1993, welche am 31. Dezember 2000 aufgelöst wurde.
Der 1977 geschlossene und jeweils auf fünf Jahre verlängerbare Vertrag ging dabei von der bis zum EWR-Beitritt bestehenden Situation aus, dass in Liechtenstein ausschliesslich Agenturen von schweizerischen Versicherungsunternehmen tätig waren. Im schweizerischen System, welches die schweizerischen Agenturen auch in Liechtenstein nachgelebt haben, waren der Deckungsumfang und der Prämientarif der Elementarschadenversicherung für die Versicherungsunternehmen einheitlich und verbindlich. Folglich waren auch die angebotenen Versicherungsprodukte weitestgehend identisch.
Als weiterer Baustein dieses Systems zu nennen ist der Elementarschaden-Pool (nachfolgend: ES-Pool), der den Ausgleich der Elementarschadenbelastung unter den Pool-Mitgliedern sowie den Abschluss von gemeinsamen Rückversicherungen zur Sicherung der Elementarkatastrophenschäden bezweckt. Jedes Poolmitglied trägt 15% der von ihm bezahlten Entschädigungen zuzüglich Regulierungskosten selbst, 85% werden in den Pool eingebracht. Die Schäden werden zusammengeworfen, aufgrund der Marktanteile (basierend auf die Feuerversicherungssummen) auf die einzelnen Poolmitglieder aufgeteilt und sodann unter den Poolmitgliedern verrechnet. Aus Solidaritätsgründen wird für die Elementarschadendeckung ungeachtet des Risikos eine kalkulatorische Einheitsprämie erhoben. Eine Einheitsprämie ist notwendig, da Elementarschäden nur selten auftreten, potentiell aber sehr hohe Schäden anrichten können und die Prämien deshalb schwer zu kalkulieren sind.
Unter Einhaltung der einjährigen Kündigungsfrist wurde der Vertrag seitens der Vertragsgesellschaften auf den 31. Mai 2002 gekündigt. Als Gründe für die Kündigung wurden die geänderten wirtschaftlichen Verhältnisse in Liechtenstein und
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die dadurch entstandenen Nachteile für die schweizerischen Versicherungsunternehmen angegeben.
Aus den gleichen Gründen wurde das Gebiet Liechtensteins auf den 1. Januar 2001 aus dem ES-Pool ausgeschlossen. In der Folge sind die Risiken nun nicht mehr über den ES-Pool von den Versicherungsunternehmen gemeinsam rückversichert, sondern die Versicherungsunternehmen müssen für die Rückversicherung der Risiken selber besorgt sein.
Feuer- und Elementarschäden an Gebäuden sind teuer und können den Einzelnen in seiner Existenzgrundlage bedrohen. Feuerschäden treten zwar überall auf, sind jedoch meistens Einzelereignisse. Die Feuerversicherung von Gebäuden beruht im Wesentlichen auf folgenden Überlegungen: Ein abgebranntes Gebäude kann dank der Versicherungsleistung rasch wieder aufgebaut werden, sodass sich das Problem der Obdachlosigkeit lösen lässt (soziale Komponente). Auf einem versicherten Gebäude bekommt der Eigentümer eher ein Hypothekardarlehen als auf einem nicht versicherten. Brennt ein Gebäude ab, kann entweder das neu aufgebaute Gebäude wieder als Grundpfand dienen oder aber die Versicherungsleistungen werden zur Befriedigung des Gläubigers herangezogen. Dadurch vermag die Gebäudeversicherung mittelbar den Wohnungsbau und ebenso den Bau von Geschäftshäusern und Fabriken fördern (wirtschaftliche Komponente). Versicherungstechnisch ist das Feuerrisiko unproblematisch, d.h. der Versicherungsschutz ist grundsätzlich zu adäquaten Prämien zu finden, sodass zur Durchsetzung eines gesetzlich verankerten Versicherungsobligatoriums keine flankierenden Massnahmen notwendig sind.
Europaweit ist in den letzten Jahren eine Häufung von Elementar-Grossereignissen zu verzeichnen. Auch weltweit haben die Schäden durch Naturkatastrophen zugenommen. Zudem ist ein Ansteigen der durch die einzelnen Ereignisse verursachten Schäden festzustellen. Auch das Fürstentum Liechtenstein ist den Ele-
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mentargefahren ausgesetzt; zu nennen sind insbesondere Hochwasser, Überschwemmungen, Föhnstürme, Lawinen, Erdrutsche, Rüfen, Steinschlag und Hagel.
Unter Elementarschäden werden Schäden verstanden, welche durch Elementarereignisse wie beispielsweise Hochwasser, Überschwemmung, Sturm, Hagel, Lawinen, Steinschlag und Erdrutsch entstehen. Elementarschäden sind entweder regelmässig von der Versicherung ausgeschlossen, weil sie als unversicherbar gelten, oder sie sind aufgrund dieser Tatsache nur gegen sehr hohe Prämien versicherbar oder aber der Staat ermöglicht diese Versicherung zu angemessenen Prämien durch massive Eingriffe in den Markt.
Eine Versicherungspflicht gegen Elementarschäden basierend auf einheitlichen Prämien ist staatlich anzuordnen, weil ansonsten keine ausreichende Solidargemeinschaft zu rekrutieren ist.
Ein Versicherungsobligatorium alleine reicht nicht aus, um ein System von Quersubventionen aufrechtzuerhalten. Solange die Unternehmen in ihrer Prämiengestaltung frei sind, werden sie versuchen, ihren Kundenstamm in den "sicheren" Gebieten auszubauen, indem sie ihre Prämien senken. Umgekehrt haben sie natürlich auch ein Interesse, ihre Prämien in den gefährdeten Gebieten zu erhöhen, damit diese wenigstens die erwarteten Kosten decken. Ein Versicherungsobligatorium ohne starke Einschränkungen in der Prämiengestaltung reicht nicht aus, um das Problem der negativen Auslese in der Elementarschadenversicherung zu lösen.
Hätten die Versicherungsunternehmen die Möglichkeit, für die "schlechten" Risiken die Prämien und die Selbstbehalte zu erhöhen, hätten die Besitzer von exponierten Gebäuden Schwierigkeiten, überhaupt noch Versicherungsschutz zu finden. Es gilt, sich gegen Probleme der negativen Auslese zu schützen. Würden die
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Versicherungsnehmer in der Wahl der Höhe des Selbstbehaltes frei sein, so könnten die Versicherungsnehmer in den "sicheren" Gegenden (d.h. die "guten" Risiken) das Obligatorium unterlaufen, indem sie einen sehr hohen Selbstbehalt vereinbaren. Allerdings treffen die Selbstbehalte hauptsächlich die "schlechten Risiken". Es handelt sich dabei um eine elegante Art, effektiv die Preise zu differenzieren, und gleichzeitig allen Kunden die gleichen Verträge anzubieten.
Zum anderen besteht die Gefahr, dass sich die Kunden in den "sicheren" Gegenden nicht versichern, es sei denn, es bestehen geographisch stark differenzierte Prämiensätze. Die starken jährlichen Schwankungen gekoppelt mit der erheblichen Unsicherheit über die Klimaentwicklung und deren Einfluss auf Elementarereignisse und Naturkatastrophen führen dazu, dass es für die Versicherungsunternehmen nicht leicht ist, die "richtigen" Prämien zu finden. Es bestehen Probleme in der Prämienkalkulation. Die Kombination dieser beiden Umstände rückt die Elementarschadenversicherung in den Bereich, der in vielen Ländern als "unversicherbar" bezeichnet wird.
Aus diesen Gründen ist zur Erreichung einer flächendeckenden Elementarschadenversicherung zu akzeptablen Preisen ein Eingreifen des Staates in das Marktgeschehen unverzichtbar (staatliche Vorgabe der Prämientarife sowie Harmonisierung der Selbstbehalte). Dabei muss das System auf dem Prinzip der Solidarität aufbauen. Die Solidarität besteht darin, dass die Gebäudeeigentümer, die sich plötzlich (und unverschuldet) in einer unglücklichen Situation befinden, von der Gemeinschaft unterstützt werden und nicht mit höheren Prämien und Selbstbehalten rechnen müssen (Ausgleich der Elementarschadenbelastung im ES-Pool).
Stichwörter
Ele­men­tar­schäden, Versicherungsschutz
Feuer- und Ele­men­tar­schäden, Versicherungsschutz
Finanz­mark­tauf­sichts­ge­setz, Abän­de­rung (Gebäudeversicherung)
Gebäu­de­ver­si­che­rungs­ge­setz, GVersG
GVersG, Gebäudeversicherungsgesetz
Ver­si­che­rungen, Gebäudeversicherungsgesetz