Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
2015 / 110
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Ein­lei­tung
I.Bericht der Regierung
1.Aus­gangs­lage
2.Anlass / Not­wen­dig­keit der Vor­lage / Begrün­dung der Vorlage
3.Schwer­punkte der Vorlage
4.Ver­nehm­las­sung
5.Erläu­te­rungen zu den ein­zelnen Bestimmungen
6.Ver­fas­sungs­mäs­sig­keit / Rechtliches
7.Per­so­nelle, finan­zi­elle, orga­ni­sa­to­ri­sche und räum­liche Auswirkungen
II.Antrag der Regierung
III.Regie­rungs­vor­lagen
1.[Abän­de­rung der Verfassung]
2.[Abän­de­rung des Volksrechtegesetzes]
3.[Abän­de­rung des Ausserstreitgesetzes]
 
Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend die Abänderung der Verfassung und des Volksrechtegesetzes zur Einführung des Stimmrechts und des aktiven Wahlrechts Liechtensteiner Staatsangehöriger im Ausland 
 
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Die Einführung des Stimm- und Wahlrechts für Auslandliechtensteinerinnen und Auslandliechtensteiner (Auslandstimmrecht) war in den letzten 20 Jahren immer wieder Gegenstand von politischen Vorstössen und Meinungsbekundungen verschiedener Seiten. Mit Beschluss des Landtags vom 2. September 2015 wurde die Motion der Abgeordneten der Freien Liste und der Vaterländischen Union zur Einführung des Stimm- und aktiven Wahlrechts Liechtensteiner Staatsangehöriger im Ausland mit 15 Stimmen an die Regierung überwiesen. Die Regierung wurde beauftragt, dem Landtag eine Vorlage zu unterbreiten, welche die Einführung des Stimm- und aktiven Wahlrechts Liechtensteiner Staatsangehöriger im Ausland auf Landesebene mit den von der Regierung vorgeschlagenen Einschränkungen gemäss dem Modell der "potentiellen Betroffenheit" (Bericht und Antrag Nr. 103/2013) vorsieht. Neben einer Änderung des Volksrechtegesetzes ist dafür auch eine Anpassung der Verfassung notwendig.
Das Auslandstimmrecht betrifft einen Kernpunkt unseres politischen Systems. Eine diesbezügliche Regelung muss den verfassungsrechtlichen Anforderungen der Rechtsgleichheit und Willkürfreiheit entsprechen und überdies mit angemessenem Aufwand praktisch durchführbar sein. Es konnte dafür nicht einfach eine Regelung aus dem Ausland übernommen werden, sondern es war das für unsere staats- und verfassungsrechtliche Ordnung und unsere gesellschaftlichen, demographischen und politischen Gegebenheiten passende Modell zu entwickeln, das nun Gesetz werden soll.
Das demokratische Prinzip der Betroffenheit ("Stimmberechtigt sind nur jene, welche die Konsequenzen der Entscheidung zu tragen haben") steht im Spannungsverhältnis zum Anliegen der Partizipation, d.h. zum Interesse der mitwirkungsbereiten Auslandliechtensteiner am Stimmrecht, aber auch zum Interesse des Kleinstaates, diese Mitwirkung zu ermöglichen. Dieses Spannungsverhältnis kann mit dem Modell der sogenannten "potentiellen Betroffenheit" aufgelöst werden, das an die (allerdings nur theoretisch erfassbare) Rückkehrwahrscheinlichkeit eines im Ausland wohnhaften Staatsangehörigen anknüpft. Das Stimmrecht wird - vereinfacht gesagt - solange weiter gewährt, als vernünftiger Weise mit der Rückkehr des Auslandliechtensteiners gerechnet werden kann.
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Konkret wird das Auslandstimmrecht an die Voraussetzung eines früheren fünfjährigen Inlandwohnsitzes geknüpft. Ein Eintrag ins Stimmregister erfolgt dabei nur über Anmeldung bei der Heimatgemeinde, wobei die Wirkung des Eintrags zeitlich befristet ist. Vorgeschlagen wird eine Frist von 10 Jahren mit der Möglichkeit der einmaligen Verlängerung um weitere 5 Jahre.
Eine solche Regelung erfasst Personen, die sich während längerer Zeit aus beruflichen Gründen, zum Zwecke der Aus- und Weiterbildung oder aus anderen Gründen im Ausland aufhalten. Die Befristung des Stimmrechts erscheint als sachgerecht, da die enge Beziehung zum Land und die Vertrautheit mit den liechtensteinischen Verhältnissen typischerweise mit zunehmender Dauer der Landesabwesenheit abnehmen.
Das Modell der "potentiellen Betroffenheit" stellt eine sachgerechte, den liechtensteinischen Gegebenheiten Rechnung tragende Lösung für die seit vielen Jahren diskutierte Thematik des Auslandstimmrechts dar. Das Modell trägt den Argumenten, die gegen das Auslandstimmrecht eingewendet werden können, so gut wie möglich Rechnung. Die vorgeschlagene Regelung ist verfassungsrechtlich haltbar und mit angemessenem Aufwand praktisch durchführbar.
Zuständiges Ministerium
Ministerium für Inneres, Justiz und Wirtschaft
Betroffene Amtsstellen
Regierungskanzlei
Gemeinden
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Vaduz, 29. September 2015
LNR 2015-1268
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehenden Bericht und Antrag betreffend die Abänderung der Verfassung und des Volksrechtegesetzes zur Einführung des Stimmrechts und des aktiven Wahlrechts Liechtensteiner Staatsangehöriger im Ausland an den Landtag zu unterbreiten.
1.Ausgangslage
Die Ausübung der politischen Rechte ist gemäss Verfassung an das Erfordernis eines ordentlichen Wohnsitzes im Inland geknüpft, womit im Ausland lebenden Liechtensteinerinnen und Liechtensteinern die Möglichkeit der politischen Mitwirkung verwehrt bleibt. Die Einführung des Stimm- und Wahlrechts für Auslandliechtensteinerinnen und Auslandliechtensteiner - im Folgenden auch kurz "Auslandstimmrecht" genannt - war daher in den letzten 20 Jahren immer wieder Gegenstand von Petitionen, politischen Vorstössen und Meinungsbekundungen verschiedener Seiten.
Zuletzt hat sich der Landtag in seiner Sitzung vom 4. Dezember 2013 eingehend mit der Thematik befasst; dies im Rahmen der Behandlung der Postulatsbeant-
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wortung der Regierung vom 29. Oktober 2013 "Stimm- und aktives Wahlrecht Liechtensteiner Staatsangehöriger im Ausland" (Nr. 103/2013). Bereits bei der Behandlung des der Beantwortung zu Grunde liegenden Postulats in der Landtagssitzung vom 24. April 2013 war deutlich geworden, dass es nicht einfach ist, eine auf das liechtensteinische politische System gemünzte Lösung für das zunehmend als Defizit empfundene Problem des Auslandstimmrechts zu entwickeln. Gemeinsamer Nenner aller Votanten war dabei, dass gewisse Beschränkungen des Auslandstimmrechts gelten sollen, wobei die Auffassungen darüber auseinander gingen, welcher Art diese Beschränkungen sein sollen. Zu Recht wurde darauf hingewiesen, dass jedes Einschränkungskriterium verfassungskonform, insbesondere dem Grundsatz der Rechtsgleichheit entsprechen und willkürfrei sein muss. Grosser Wert muss zudem auf die praktische Handhabbarkeit in der Durchführung einer Neuregelung gelegt werden.
Die Regierung hat in der Folge ein Modell entwickelt, das den liechtensteinischen Gegebenheiten und den im Landtag geäusserten Erwartungen Rechnung trägt: Das Modell der "potentiellen Betroffenheit". Dieses wurde in der erwähnten Landtagssitzung vom 4. Dezember 2013 diskutiert. Vertreter von drei Fraktionen äusserten sich positiv zu diesem Lösungsansatz, wobei eine dieser Fraktionen auch eine entsprechende Fraktionserklärung abgab. Vertreter der vierten Fraktion äusserten sich teils zustimmend, teils wurde argumentiert, dass die Initiative zur Regelung dieser staatspolitischen Materie nicht von der Regierung, sondern vom Landtag ausgehen solle, ein Votant äusserte sich auch inhaltlich kritisch.
In Fortsetzung dieser Diskussionen reichten die Abgeordneten der Freien Liste und der Vaterländischen Union am 28. Mai 2015 eine Motion zur Einführung des Stimm- und aktiven Wahlrechts Liechtensteiner Staatsangehöriger im Ausland ein. Der parlamentarische Vorstoss wurde vom Landtag in seiner Sitzung vom 2. September 2015 behandelt und mit 15 Stimmen an die Regierung überwiesen.
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Die Regierung wurde beauftragt, dem Landtag eine Vorlage zu unterbreiten, welche die Einführung des Stimm- und aktiven Wahlrechts Liechtensteiner Staatsangehöriger im Ausland auf Landesebene mit den von der Regierung vorgeschlagenen Einschränkungen gemäss dem Modell "der potentiellen Betroffenheit" (Bericht und Antrag Nr. 103/2013) vorsieht.
Begründet wurde die Motion im Wesentlichen damit, dass es vielen Auslandliechtensteinerinnen und Auslandliechtensteinern ein grosses Anliegen sei, politische Mitbestimmungsmöglichkeiten in Liechtenstein zu erhalten. Dies biete die Chance, die demokratischen Werte, das Zusammengehörigkeitsgefühl und die Verbundenheit der betreffenden Personen mit dem Land zu stärken. Gleichzeitig werde anerkannt, dass nur diejenigen Landesangehörigen mitentscheiden sollten, die die Konsequenzen der Entscheidungen zu tragen hätten, was auf Auslandliechtensteiner nicht in jedem Fall im selben Ausmass zutreffe. Die Regierung habe in der Postulatsbeantwortung betreffend das Stimm- und aktive Wahlrecht Liechtensteiner Staatsangehöriger im Ausland (Nr. 103/2013) ein Modell der potentiellen Betroffenheit vorgeschlagen, welches das Stimm- und Wahlrecht für Auslandliechtensteiner an die Voraussetzung eines mehrjährigen Inlandwohnsitzes knüpfe und zeitlich befriste. Dieses Modell sei von der Regierung als sachgerechte und den liechtensteinischen Gegebenheiten Rechnung tragende Lösung dargestellt worden, die verfassungsrechtlich haltbar und mit angemessenem Aufwand praktisch durchführbar sei. In der Landtagsdebatte zur Postulatsbeantwortung am 4. Dezember 2013 sei die von der Regierung als gangbaren Weg präsentierte Stossrichtung des Modells der potentiellen Betroffenheit auch von den Abgeordneten mehrheitlich begrüsst worden. Aus diesem Grund solle mit der Motion die Weiterentwicklung der Volksrechte nun einer Entscheidung zugeführt werden.
Stichwörter
Aus­land­liech­tens­teiner (-innen), Stimm- und Wahlrecht
Aus­land­s­timm­recht
Stimm- und Wahl­recht von Aus­land­liech­tens­tei­nern (-innen)
Wahl­recht von Aus­land­liech­tens­tei­nern (-innen)