Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
2000 / 142
Zurück Druckansicht Dokument als PDF Navigation anzeigen
Ein­lei­tung
I.Anlass
II.Beant­wor­tung
1.Bedeu­tung der Alpenkonvention
2.das Verkehrsprotokoll
3.Alpen­kon­ven­tion und Letzetunnel
III.Antrag
Grüner Teil
 
Postulatsbeantwortung der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend Alpenkonvention und Letzetunnel
 
Die Alpenkonvention ist als umfassendes Rechtsinstrument zu betrachten, welches mit dem ausgewogenen Miteinander von Schutz- und Entwicklungszielen einen Weg zur nachhaltigen Entwicklung des Alpenraumes weist. Alpenstaatenübergreifende Regelungen für den Verkehrsbereich bilden dabei nicht nur ein zentrales Anliegen der Alpenkonvention, sondern erweisen sich gleichzeitig als Gradmesser für die Bereitschaft, berechtigten Schutz- und Entwicklungsinteressen der Bevölkerung im Alpenraum Rechnung zu tragen.
Über ein seit September 1990 in Verhandlung stehendes Verkehrsprotokoll zur Alpenkonvention konnte anlässlich der VI. Alpenkonferenz der Umweltminister am 31. Oktober 2000 in Luzern Einvernehmen erzielt werden. Dieses von den acht Alpenstaaten und der EU als Vertragsparteien der Alpenkonvention angenommene Verkehrsprotokoll beruht auf dem Verhandlungsergebnis der anlässlich der V. Alpenkonferenz vom Oktober 1998 in Bled neu eingesetzten Arbeitsgruppe "Verkehr", welche unter Vorsitzführung Liechtensteins ein konkretes Mandat für eine Neuverhandlung des Verkehrsprotokolles erhielt. Als zwischenstaatlicher Vertrag verpflichtet das Verkehrsprotokoll die Vertragsparteien zur nachhaltigen Entwicklung im Verkehrsbereich durch geeignete Strategien, Konzepte und Massnahmen beizutragen. Erreicht werden soll dieses vorrangige Ziel durch die Begrenzung des Verkehrsvolumens, eine umweltverträgliche Lenkung des Verkehrs, die Steigerung der Leistungsfähigkeit der bestehenden Verkehrssysteme insbesondere mit Hilfe marktkonformer Anreizmassnahmen sowie die verbesserte Abstimmung der Verkehrsträger untereinander (Intermodalität). Der Grundsatz der verstärkten Zusammenarbeit auf internationaler Ebene bildet dabei ein wesentliches Element. In diesem Zusammenhang ist besonders hervorzuheben, dass bei projektierten neuen Infrastrukturen oder erheblicher Vergrösserung bestehender Verkehrsnetze Koordinationsmechanismen zwischen den betroffenen Vertragsparteien vorgesehen sind.
Gemäss dem Inhalt des Verkehrsprotokolls vom 31. Oktober 2000 ist ein "Projekt Letzetunnel" insbesondere aufgrund seiner Verkehrswirkung nach den Bestimmungen von Art. 11 Abs. 2 zu beurteilen - dies allerdings rechtlich verbindlich erst nach Inkrafttreten des Protokolls gemäss Art. 24. Die Bestimmungen des Verkehrsprotokolls nach Art. 11 Abs. 2 sind allerdings nicht darauf angelegt, den Bau hochrangiger Strassenprojekte grundsätzlich zu verhindern. Sie sind vielmehr darauf ausgerichtet, die Verwirklichung solcher Strassenprojekte der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen zu unterstellen. Ein Projekt kann nur dann verwirklicht werden, wenn erstens durch die Vornahme entsprechender Vorsorge- oder Ausgleichsmassnahmen aufgrund einer Umweltverträglichkeitsprüfung die in der Alpenkonvention festgelegte Zielsetzung, dass die Belastungen und Risiken auf ein Mass gesenkt werden, das für Menschen, Tiere und Pflanzen sowie deren Lebensräume erträglich ist, erreicht werden kann, wenn zweitens die Bedürfnisse nach Transportkapazitäten nicht z.B. durch eine bessere Auslastung der bestehenden Strassen- und Bahnkapazitäten oder andere Massnahmen erfüllt werden können, wenn drittens eine Zweckmässigkeitsprüfung die Wirtschaftlichkeit erwiesen hat und eine Umweltverträglichkeitsprüfung positiv ausgefallen ist und wenn schliesslich viertens den Raumordnungsplänen und -programmen sowie der nachhaltigen Entwicklung Rechnung getragen wird.
Zuständiges Ressort
Ressort Umwelt
Betroffene Amtsstellen
Amt für Wald, Natur und Landschaft
Stabsstelle Verkehrskoordination
1
Vaduz, den 14. November 2000
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehende Postulatsbeantwortung betreffend die Vereinbarkeit des Letzetunnels mit den Grundsätzen und allgemeinen Verpflichtungen der Alpenkonvention und insbesonders mit dem am 31. Oktober 2000 in Luzern von der Alpenkonferenz verabschiedeten Verkehrsprotokoll zur Alpenkonvention zu unterbreiten.
I.Anlass
Mit Datum vom 26. Mai 1997 hatten die Abgeordneten Dr. Egon Matt und Paul Vogt ein Postulat mit folgendem Wortlaut eingereicht:
"Der Landtag wolle beschliessen:
Die Regierung wird eingeladen, zusammen mit dem Ministerium für Umwelt, Jugend und Familie der Republik Österreich sowie den zuständigen Gremien der Alpenkonvention die Frage zu prüfen, ob der Letzetunnel mit den Grundsätzen und allgemeinen Verpflichtungen der Alpenkonvention und insbesonders mit dem Vorschlag Österreichs zum Verkehrsprotokoll der Alpenkonvention vereinbar ist".
2
Das Postulat wurde wie folgt begründet:
"Die Alpenkonvention, ein internationales Vertragswerk zum Schutz der Alpen und für ein nachhaltiges Wirtschaften in den Alpen, ist in Liechtenstein und Österreich seit 1994 ratifiziert und in Kraft.
In Art. 2 Abs. 2 Bst. j wird als Ziel des Übereinkommens im Bereich Verkehr festgelegt: "Belastungen und Risiken im Bereich des inneralpinen und alpenüberquerenden Verkehrs auf ein Mass zu senken, das für Menschen, Tiere und Pflanzen sowie für deren Lebensräume erträglich ist." Im Entwurf zum Verkehrsprotokoll der Alpenkonvention vertritt Österreich zudem folgenden Standpunkt: "Neue hochrangige Strassen, die den grenzüberschreitenden, alpenquerenden Verkehr zwischen den Vertragsparteien merklich erhöhen, dürfen nur gebaut werden, wenn diesem Strassenprojekt von keiner Vertragspartei, auf die es sich auswirkt oder auswirken kann, begründet widersprochen wird." (Entwurf zum Verkehrsprotokoll Art. 7).
Laut Schlussbericht der ETH Studie "Überprüfung der Prognose Letzetunnel" wird sich mit dem Bau des Letzetunnels der gesamte Verkehr am Grenzübergang Schaanwald-Tisis bis zum Jahr 2005 zwischen 15 400 und 17 000 Fahrzeugen pro Tag bewegen. Dies würde einem Zuwachs von 37,1 bzw. 51,7 % gegenüber dem Stand von heute bedeuten. Damit ist beim Bau des Letzetunnels das Kriterium eines "merklich erhöhten Verkehrsaufkommens" eindeutig erfüllt und nach dem Vorschlag Österreichs zum Verkehrsprotokoll kann in diesem Fall ein Vertragspartner das Veto gegen ein solches Strassenbauprojekt einlegen bzw. es muss ein Abstimmungsprozess zwischen den Vertragsparteien stattfinden.
3
Die Alpenkonvention und insbesonders das Verkehrsprotokoll in der österreichischen Fassung sind wichtige und wirkungsvolle Instrumente bei den Verhandlungen zwischen Österreich und Liechtenstein in Sachen Letzetunnel. An der letzten Sitzung des Ständigen Ausschusses der Alpenkonvention im Mai 1997 hat sich Liechtenstein offiziell hinter den österreichischen Vorschlag zum Verkehrsprotokoll gestellt. Das Engagement Liechtensteins in dieser Sache kommt eigenen, fundamentalen Interessen entgegen und ist zudem eine wertvolle Unterstützung der Position Österreichs gegenüber Deutschland und Italien.
Der Letzetunnel widerspricht nach unserer Auffassung eindeutig dem Art. 2 Abs. 2 Bst. j des Rahmenübereinkommens zur Alpenkonvention. Die Regierung soll deshalb sämtliche Unterlagen zum Letzetunnel dem Ständigen Ausschuss der Alpenkonvention zukommen lassen. Dieser sammelt und bewertet die Unterlagen im Hinblick auf die Durchführung des Abkommens (Art. 8 Abs. 6 Bst. b) und schlägt der Konferenz der Vertragsparteien Massnahmen und Empfehlungen zur Verwirklichung der im Übereinkommen enthaltenen Ziele vor (Art. 8 Abs. 6 Bst. j).
In Österreich ist das Ministerium für Umwelt, Jugend und Familie mit der Alpenkonvention und mit dem Verkehrsprotokoll zur Alpenkonvention befasst. Es scheint deshalb sinnvoll, auch beim Ministerium für Umwelt, Jugend und Familie der Republik Österreich die Verträglichkeit des Letzetunnels mit der Alpenkonvention prüfen zu lassen.
Die Frage, ob der Letzetunnel mit den Grundsätzen und Vereinbarungen der Alpenkonvention vereinbar ist, ist nicht nur für Liechtenstein und Vorarlberg von fundamentaler Bedeutung, sondern wird auch die Tragfähigkeit der Alpenkonvention insgesamt einer Prüfung unterziehen".
4
Der Landtag hat das Postulat in seiner Sitzung vom 26. Mai 1997 an die Regierung überwiesen. Mit dem Verkehrsbericht 1997 (Nr. 105/1997) legte die Regierung dem Landtag unter Kapitel 16.3 eine Beantwortung des Postulates vor und beantragte anlässlich der Landtagssitzung vom 12. März 1998 dessen Abschreibung. Insbesondere aufgrund der Tatsache aber, dass der Beantwortung die im Postulat geforderten gemeinsamen Abklärungen mit dem Ministerium für Umwelt, Jugend und Familie der Republik Österreich und den Gremien der Alpenkonvention nicht zugrunde lagen, erwiesen sich entsprechend den Diskussionsvoten nicht alle Aspekte des Postulates als ausreichend beantwortet. Die Regierung zog deshalb den Antrag auf Abschreibung des Postulats zurück.
Das Ressort Umwelt stellte mit Brief inklusive verschiedener Unterlagen vom März 1998 an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie der Republik Österreich, abgestützt auf die Ergebnisse der gemeinsam von der Liechtensteiner Regierung und der Vorarlberger Landesregierung in Auftrag gegebenen Studie, die Besorgnis Liechtensteins in Zusammenhang mit dem Letzetunnel dar und ersuchte das Ministerium zu prüfen, ob der geplante Letzetunnel mit den Grundsätzen und allgemeinen Verpflichtungen der Alpenkonvention und insbesondere mit dem von Österreich 1995 eingebrachten Vorschlag zum Verkehrsprotokoll der Alpenkonvention vereinbar sei. Die Sachlage gleichermassen darstellend, stellte das Ressort ebenfalls mit Brief vom März 1998 an den Vorsitzenden der Alpenkonferenz, den Minister für Umwelt und Raumplanung der Republik Slowenien, den Antrag, der Ständige Ausschuss der Alpenkonferenz wolle die Frage prüfen, ob der geplante Letzetunnel mit den Grundsätzen und allgemeinen Verpflichtungen der Alpenkonvention vereinbar sei. Die Inhalte der diesbezüglichen Antwortschreiben werden unter den Ausführungen des Kapitels 3 wiedergegeben.
5
Aufgrund des seit der III. Alpenkonferenz im Dezember 1994 in Chambéry bis zur V. Alpenkonferenz im Oktober 1998 in Bled festgefahrenen Verhandlungsprozesses und der damit einhergehenden Ungewissheit über das weitere Vorgehen in den Verhandlungen zum Verkehrsprotokoll und insbesondere über allfällige Verhandlungsergebnisse hat sich die Postulatsbeantwortung verzögert. Die Neueinsetzung einer Arbeitsgruppe "Verkehr" unter liechtensteinischem Vorsitz an dieser V. Alpenkonferenz mit einem gemäss liechtensteinischen Vorschlag auf zwei Jahre beschränkten Mandat bewog die Regierung schliesslich, vor der Postulatsbeantwortung konkrete Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe abzuwarten. Die Regierung hätte es für nicht zielführend gehalten, das Postulat zu beantworten, ohne zumindest über die weitere Entwicklung in der Erarbeitung des Verkehrsprotokolls konkrete Aussagen treffen zu können.
Die Regierung nimmt zu den im Postulat aufgeworfenen Fragen wie folgt Stellung:
Stichwörter
Alpen­kon­ven­tion, Postulatsbeantwortung
Let­ze­tunnel, Postulatsbeantwortung
Postu­lats­be­ant­wor­tung, Alpen­kon­ven­tion und Letzetunnel
Ver­kehr, Let­ze­tunnel, Postulatsbeantwortung