Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
2011 / 84
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Ein­lei­tung
I.Bericht der Regierung
1.Anlass
2. All­ge­meine Vorbemerkungen
3.Beant­wor­tung der Fragen
II.Antrag der Regierung
 
Interpellationsbeantwortung der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
betreffend  die Einführung des Stimm- und Wahlrechts auf Gemeindeebene für niedergelassene Ausländerinnen und Auslandsliechtensteinerinnen  
 
Mit der Interpellation des Abgeordneten der Freien Liste vom 18. Mai 2011 werden verschiedene Fragen zum Stimm- und Wahlrecht von Ausländerinnen und Ausländern auf Gemeindeebene gestellt. Zudem wird auch die Frage des Stimm- und Wahlrechts der Auslandliechtensteiner angesprochen. Die parlamentarische Eingabe zielt gemäss eigenem Bekunden darauf ab, für die genannten Personen das Stimm- und Wahlrecht einzuführen; die Regierung soll mit den dafür notwendigen Abklärungen beauftragt und zu einer politischen Stellungnahmen über diese beiden Themen von erheblicher staatspolitischer Bedeutung veranlasst werden. Die Interpellation hat somit zumindest teilweise den Charakter eines Postulates, das an sich der Überweisung durch den Landtag an die Regierung bedarf, an der es im konkreten Fall aber fehlt.
Die Regierung geht dennoch auf die gestellten Fragen in umfassender Weise ein und beantwortet diese, soweit dies im Rahmen einer Interpellationsbeantwortung sinnvoll und möglich ist. Die Ausführungen beinhalten u.a. statistische Angaben sowie ausführliche Rechtsvergleiche zu den vom Interpellanten angesprochenen Rechtsordnungen der Nachbarländer und weiterer europäischer Staaten.
Um dem Thema Ausländerstimmrecht gerecht zu werden, ist nach Ansicht der Regierung eine breite politische Diskussion erforderlich. Diese muss die Besonderheiten Liechtensteins berücksichtigen, wobei vier Merkmale des Landes besonders hervorzuheben sind: die Kleinheit des Landes, der hohe Ausländeranteil, der Anspruch auf erleichterte Einbürgerung und die direktdemokratischen Rechte. Diese objektiv vorhandenen Umstände sind bei der Frage der Einführung des Ausländerstimmrechts zu beachten.
Ein Grund für das Fehlen eines Ausländerstimmrechts liegt in der Tat im hohen Ausländeranteil des Landes. Liechtenstein hat wie kaum ein anderes Land der Welt eine starke Integrationsleistung in Bezug auf seine ausländische Bevölkerung erbracht. In kaum einem anderen Land leben 67% Inländer so friedlich und problemlos neben - und mit - 33% Ausländern.
Die Regierung ist zur Diskussion der Frage des Ausländerstimmrechts auf kommunaler Ebene bereit. Nötig ist dabei neben dem Einbezug der Parteien, der Verbände und Ausländervereinigungen sowie zahlreicher weiterer Institutionen vor
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allem das Gespräch mit den Gemeinden, die direkt von einer solchen staatsrechtlichen Neuerung betroffen wären.
Auch die Frage des Stimmrechts für Auslandliechtensteinerinnen und Auslandliechtensteiner ist von herausragender staatspolitischer Bedeutung. An sich wäre es mit Blick auf die Partizipationsmöglichkeiten der Betroffenen wünschenswert, wenn ihnen - zumal jenen, die mit dem Land noch eng verbunden sind - die politischen Rechte gewährt werden könnten. Dem lässt sich freilich entgegenhalten, dass die politischen Entscheidungen nicht von jenen getroffen werden sollen, die deren Konsequenzen nicht zu tragen haben. Auch eine solche Neuerung, die wie das Ausländerstimmrecht mit einer Änderung von Verfassung und Gesetzen verbunden wäre, will gut überlegt sein und bedarf sorgfältiger Analyse.
Zuständiges Ressort
Ressort Inneres
Betroffene Amtsstellen
Ausländer- und Passamt
Zivilstandsamt
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Vaduz, 30. August 2011
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehende Interpellationsbeantwortung zu unterbreiten.
1.Anlass
Mit Datum vom 18. Mai 2011 hat der Abgeordnete Pepo Frick, gestützt auf Art. 36 der Geschäftsordnung des Landtages, eine Interpellation zur Einführung des Stimm- und Wahlrechts auf Gemeindeebene für niedergelassene AusländerInnen und AuslandsliechtensteinerInnen eingereicht.
Die Interpellation wurde wie folgt begründet:
"Gestützt auf Artikel 36 und 37 der Geschäftsordnung vom 11. Dezember 1966 für den liechtensteinischen Landtag reicht der unterzeichnende Abgeordnete eine Interpellation ein und stellt an die Regierung folgende Fragen zur Stimm- und Wahlrechtssituation für niedergelassene AusländerInnen und für AuslandsliechtensteinerInnen.
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Liechtenstein war früher ein Auswanderungsland. Seit Jahrzehnten besteht aber eine Nettozuwanderung, verursacht in erster Linie durch einen immensen wirtschaftlichen Aufschwung. Vor Jahrzehnten hat Liechtenstein Gastarbeiter ins Land geholt. Die ursprüngliche Vorstellung, dass diese Menschen wieder in ihre Ursprungsländer zurückkehren, hat sich für viele nicht bewahrheitet, Liechtenstein ist für diese Menschen zur Heimat geworden. Liechtenstein kennt ein restriktives Einbürgerungsrecht, als Voraussetzung gilt 30 Jahre Aufenthalt und Verzicht auf Doppelstaatsbürgerschaft. Gerade die Auflage, bei einer Einbürgerung den Ursprungspass abgeben zu müssen, hindert viele daran, den Schritt zum liechtensteinischen Bürgerrecht zu machen.
Die Intention dieser Interpellation ist es, dass die Regierung die Problematik des aktiven (wählen) und passiven (gewählt werden) Stimm- und Wahlrechts aufzeigt, die Grundsätze des Stimm- und Wahlrechts darlegt, und die Vor- und Nachteile der Gewährung dieser Rechte an niedergelassene AusländerInnen und AuslandsliechtensteinerInnen untersucht.
Die Interpellation zielt dahin, dass die einzelnen Gemeinden ermächtigt werden, das Stimm- und Wahlrecht einzuführen, womit der verfassungsrechtlich gewährleistete weite Spielraum der Gemeinden und der Grundsatz der Gemeindeautonomie beachtet wird.
Die Regierung sollte rechtsvergleichend darlegen, wie sich diese Bestimmungen in verschiedenen Schweizer Kantonen, den umliegenden Ländern und im EWR bzw. in der EU darstellen.
Statistisch ist sicher interessant, wie lange die AusländerInnen jeweils bereits in Liechtenstein leben und wie viele hier bereits geboren sind. Demokratiepolitisch gilt der Grundsatz, dass alle Menschen, die von einem Entscheid betroffen sind,
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mitentscheiden können. Das sind unzweifelhaft Menschen, welche die Niederlassung bei uns haben.
Auf der anderen Seite interessiert, wie viele AuslandsliechtensteinerInnen es gibt, sowohl in den umliegenden Ländern als auch in der übrigen Welt.
Graubünden hat 2003 in der neuen Kantonsverfassung festgelegt, dass die Gemeinden bestimmen können, ob und unter welchen Bedingungen sie niedergelassenen AusländerInnen und AuslandschweizerInnen das Stimmrecht sowie das aktive und passive Wahlrecht in Gemeindeangelegenheiten erteilen wollen.
Liechtenstein steht es offen, eigene Voraussetzungen zu definieren. Eine Option besteht darin, dass für AusländerInnen die Niederlassung und eine Wohnsitzdauer von mindestens fünf Jahren in der entsprechenden Gemeinde zur Erlangung des Stimm- und Wahlrechts gefordert wird. Das Wahlrecht von AuslandsliechtensteinerInnen könnte an den letzten inländischen Wohnsitz oder das Gemeindebürgerrecht gebunden werden. Eine weitere Option für Liechtenstein ist, dass zur Erlangung des Stimm- und Wahlrechts ein Antrag gestellt werden muss, um ins Stimmregister aufgenommen zu werden.
Das neue Integrationskonzept der Regierung spricht von Offenheit und Teilhabe aller BewohnerInnen auch am politischen Leben. Ein neues Stimm- und Wahlrecht könnte zu einem weiteren Integrationsschritt für AusländerInnen führen und die Heimatverbundenheit von AuslandliechtensteinerInnen unterstützen.
Ziel dieser Interpellation ist es, dass die Regierung mögliche Ausgestaltungen des Stimm- und Wahlrechts für AusländerInnen und AuslandliechtensteinInnen darlegt, damit ggf. Massnahmen zur Umsetzung aufgenommen und umgesetzt werden können."
Der Interpellant stellt die folgenden Fragen an die Regierung:
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1.
 
Auf welchen Gesetzen und Verordnungen fusst das Liechtensteiner Stimm- und Wahlrecht?
 
2.
 
Wie viele niedergelassene AusländerInnen gibt es in Liechtenstein und aus welchen Nationalitäten setzen sich diese zusammen?
 
3.
 
Wie viel Prozent niedergelassene AusländerInnen leben seit mehr als 10 Jahren in Liechtenstein, welche seit mehr als 20 Jahren, welche seit mehr als 30 Jahren in Liechtenstein? Wie viele wurden bereits in Liechtenstein geboren?
 
4.
 
Wie viele Personen, aufgeschlüsselt nach der Nationalität, sind in den letzten zehn Jahren eingebürgert worden und haben so ihr Stimm- und Wahlrecht in Liechtenstein erhalten?
 
5.
 
Wie ist die Stimm- und Wahlrechtssituation Liechtensteins im Rechtsvergleich zu verschiedenen Schweizer Kantonen, den umliegenden Ländern und den Nationen in der EU? Hält die Regierung eine Kann-Bestimmung für das Stimm- und Wahlrecht auf Gemeindeebene, wie es der Kanton Graubünden kennt, auch für Liechtenstein als gangbaren Weg?
 
6.
 
Wie viele LiechtensteinerInnen leben im Ausland? Wie viele davon in der benachbarten Schweiz oder Österreich? Wie ist die Stimm- und Wahlrechtssituation der AuslandsliechtensteinerInnen im Vergleich zu den umliegenden Ländern?
 
7.
 
Regierungschef Klaus Tschütscher hat sich im Zuge der Forderung nach mehr Fachkräften in Liechtenstein öffentlich dafür ausgesprochen, dass zumindest darüber nachgedacht werden müsse, AusländerInnen in Liechtenstein politische Partizipation zu ermöglichen. Als wie dringend sieht die Regierung dieses Thema auf der politischen Agenda?
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8.
 
Die Regierung hat im März 2011 eine Integrationskampagne im Rahmen eines Integrationskonzepts gestartet. In dieser wird betont, dass Liechtenstein AusländerInnen brauche und dass ihnen ermöglich werden müsse, partizipieren zu können. Wo und wie genau möchte die Regierung AusländerInnen in Liechtenstein partizipieren lassen, wie sie es mit der Integrationskampagne fordert?
 
9.
 
Wurde im Zusammenhang mit dieser Kampagne innerhalb der Regierung über ein Stimm- und Wahlrecht für AusländerInnen nachgedacht? Ist während dieser Legislaturperiode mit einem Vorstoss der Regierung betreffend Stimm- und Wahlrecht für AusländerInnen und AuslandsliechtensteinerInnen zu rechnen?
Stichwörter
Inter­pel­la­ti­ons­be­ant­worung Stimm- und Wahl­recht nie­der­ge­las­sener Aus­länder und Auslandsliechtensteiner
Stimm- und Wahl­recht nie­der­ge­las­sener Aus­länder und Aus­lands­liech­tens­teiner, Interpellationsbeantwortung