Berichte und Anträge
Regierungskanzlei (RK)
BuA - Nummer
2003 / 19
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Ein­lei­tung
1.Anlass
2.Ein­lei­tung
2.1Die Ent­schei­dung G 18/85, Nr. 10412 des öster­rei­chi­schen Ver­fas­sungs­ge­richts­hofs und jene zu BGE 98 Ia 78, 90 I 73 des Schweizer Bundesgerichtes
2.2Die Rege­lungen Liech­tens­teins, Öster­reichs und der Schweiz im Vergleich
3.Aus­le­gung und Verfassungsmässigkeit
3.1All­ge­meines
3.2Gram­ma­ti­ka­li­sche Auslegung
3.3Histo­ri­sche Auslegung
3.4Sys­te­ma­tisch-Teleo­lo­gi­sche Auslegung
3.5Rechts­ver­glei­chung
3.6Die Offen­heit der Verfassung
3.7Kon­klu­sion
4.Prak­ti­sche Argumentation
5.Schluss­fol­ge­rung
6.Antrag
 
Postulatsbeantwortung der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein
zum Postulat vom 20. Oktober 1999 betreffend eine Abänderung des Volksrechtegesetzes (Briefwahlrecht)
 
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Mit dem Postulat vom 20. Oktober 1999 betreffend eine Abänderung des Volksrechtegesetzes wurde die Regierung eingeladen, die Öffnung des Briefwahlrechts zu prüfen und dem Landtag gegebenenfalls einen entsprechenden Vorschlag zur Abänderung des Gesetzes über die Ausübung der politischen Volksrechte in Landesangelegenheiten zu unterbreiten. Im Rahmen dieser Aufgabenstellung tritt ein zentraler Problempunkt in den Vordergrund, nämlich die Frage nach der Vereinbarkeit eines uneingeschränkten Briefwahlrechtes mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der geheimen Wahl.
Die genaue Bedeutung dieses im Rechtsnormtext des Art. 46 LV positivierten Wahlrechtsgrundsatzes war im Wege der Interpretation zu erschliessen, wobei auch zu prüfen war, ob zu dieser Frage die Judikatur des österreichischen Verfassungsgerichtshofes, der sich mit dieser Thematik bereits in seinem Urteil G 18/85, Nr.10412 eingehend beschäftigt hat, bzw. in welchem er die Einführung des Briefwahlrechts durch den niederösterreichischen Landesgesetzgeber als verfassungswidrig aufgehoben hat, herangezogen werden kann. Dieser argumentierte im Wesentlichen, dass den Staat eine positive Pflicht zur Gewährleistung der geheimen Wahl treffe. Der Wähler dürfe bei der Verwirklichung des Wahlgeheimnisses nicht auf sich allein gestellt bleiben.
Dem österreichischen Verfassungsgerichtshof lag für dessen Entscheidung zwar eine Regelung ähnlichen Wortlautes zugrunde (Art. 26 B-VG), jedoch war aus mehreren gewichtigen Gründen ein Zutreffen der Argumentation des Verfassungsgerichtshofes für die liechtensteinische Verfassungssituation im Ergebnis zu verneinen. Hier muss besonders die Ansicht des Staatsgerichtshofes, dass gerade im Bereich der politischen Rechte ausländische Rechtsprechung in der Regel nicht als Massstab heranzuziehen ist, wie auch das Erfordernis der Verfassungsoffenheit genannt werden.
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Letztlich gelangte die Regierung des Fürstentums Liechtenstein zur Auffassung, dass das Prinzip der geheimen Wahl einer möglichen Einführung des uneingeschränkten Briefwahlrechtes in Abwägung aller (verfassungsrechtlich relevanten) Umstände (Normhypothesen) nicht zwingend entgegensteht.
Zuständiges Ressort
Ressort Inneres
Betroffene Stellen
Regierungskanzlei
Wahl- und Abstimmungskommission
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Vaduz, 25. März 2003
P
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident
Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete
Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehende Postulatsbeantwortung betreffend eine Abänderung des Volksrechtegesetzes (Briefwahlrecht) zu unterbreiten:
1.Anlass
Am 20. Oktober 1999 haben die Abgeordneten Otto Büchel, Hansjörg Goop, Lorenz Heeb, Oswald Kranz, Hubert Sele und Peter Sprenger gestützt auf Art. 34 der Geschäftsordnung des Landtages des Fürstentums Liechtenstein ein Postulat mit folgendem Inhalt eingereicht:
"Der Landtag wolle beschliessen:
Die Regierung wird eingeladen, die Öffnung des Briefwahlrechts zu prüfen und dem Landtag gegebenenfalls einen entsprechenden Vorschlag zur Abänderung des Gesetzes über die Ausübung der politischen Volksrechte in Landesangelegenheiten zu unterbreiten."
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Die Postulanten begründen ihren Antrag wie folgt:
"Mit der Abänderung des Gesetzes über die Ausübung der politischen Volksrechte in Landesangelegenheiten (Volksrechtegesetz), LGBl. 1996 Nr. 115, wurde das Briefwahlrecht eingeführt. Das Briefwahlrecht ist jedoch eingeschränkt auf Kranke und Gebrechliche sowie auf Personen, die sich vorübergehend im Ausland aufhalten. Zudem ist das briefliche Stimmen in der heutigen Form für die Stimmberechtigten umständlich und für die Gemeinden mit unnötigem Aufwand verbunden.
Wer brieflich stimmen will, hat nach Erhalt der Abstimmungsunterlagen an die Gemeindekanzlei ein schriftliches und begründetes Gesuch zu richten. Daraufhin stellt die Gemeinde ihr bzw. ihm per Post das Zustellkuvert zu, welches für die briefliche Stimmabgabe benötigt wird. Die Gründe, die ein Gesuchssteller anzugeben hat (Krankheit, Gebrechlichkeit, Auslandsaufenthalt) sind nicht überprüfbar, und somit ist in der Praxis jedem Gesuch zu entsprechen. Wozu also das Erfordernis einer Gesuchstellung?
Zudem müssen Gesuche bis zum letzten Mittwoch vor dem Abstimmungstag bei der Gemeinde eintreffen. Kommt es also für jemanden 2 bis 3 Tage vor der Abstimmung zu einem Verhinderungsgrund, ist die briefliche Stimmabgabe nicht mehr möglich.
In den allermeisten schweizerischen Kantonen, so auch im benachbarten Kanton St. Gallen, ist das generelle Briefwahlrecht schon seit Jahren eingeführt und hat sich bewährt. Die Stimmberechtigten müssen kein Gesuch stellen, sondern erhalten das Zustellkuvert für die briefliche Stimmabgabe bereits mit den Abstimmungsunterlagen.
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Die unterzeichneten Postulanten sind der Ansicht, dass auch in Liechtenstein die briefliche Stimmabgabe grundsätzlich allen Stimmberechtigten ermöglicht werden sollte, nicht nur den gesuchstellenden Kranken und Gebrechlichen oder Auslandaufenthaltern. Das Zustellkuvert für das briefliche Stimmen sollte mit den Abstimmungsunterlagen allen Stimmbürgern zugestellt werden, sodass jeder und jede Stimmberechtigte voraussetzungslos entscheiden kann, ob er oder sie die Stimme per Post abschickt oder zur Urne geht."
Landtagssitzungen
16. April 2003
Stichwörter
Abs­tim­mung, briefliche
Brief­wahl­recht
Volks­rech­te­ge­setz, Abän­de­rung (Briefwahlrecht)
VRG, Abän­de­rung (Briefwahlrecht)
Wahl­recht, briefliches